Deutscher Akupunktur Kongress 2007

17. - 19. Mai 2007, Bad Nauheim

Dr. Patricio Novoa–Lill

Wir trauern um unseren Kollegen Dr. Patricio Novoa–Lill/Bad Wörishofen, der wenige Tage vor dem Kongress tödlich verunglückte. Sein Referat zur „Integration von Akupunktur und Mind Body Medicine“ im Rahmen des Tagesthemas „Akupunktur – Körperreiz oder Seelenbewegung?“ konnte er nicht mehr halten.

Materialien zum Kongress

Bildergalerie

Kongressband:
(PDF) Umschlagseite
(PDF) Inhaltsverzeichnis

Schirmherrschaft

Schirmherr: Roland Koch, Hessischer Ministerpräsident
((PDF) Grußwort)

Grußworte

Deutscher Akupunkturpreis!

Für Forscher und Vortragende hat die DÄGfA Preise im Gesamtwert von 7000,- € gestiftet, die beim Kongress vergeben werden. Mehr »

Unterstützt von Erich Rothenfußer Stiftung München

Rothenfusser

Akupunktur - Die Medizin für Körper und Seele

Bad Nauheim, weltbekannter Kurort, ist nicht nur Zentrum der Erforschung von Einflüssen kohlesäurehältiger Solebäder auf das Herz-Kreislaufsystem, sondern auch für einige Tage im Jahr Zentrum der akupunkturinteressierten Ärzte/Ärztinnen des In- und Auslandes. Seit über zwei Jahrzehnten ist Bad Nauheim Veranstaltungsort eines Kongresses der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur e.V. (DÄGfA), heuer sprengte diese Tradition ihre Grenzen. Mehrere Akupunkturgesellschaften, die in einem Dachverband schon jahrelang zusammen arbeiten und fünf Universitätsabteilungen gestalteten in Kooperation und unter Organisation der DÄGfA den Deutschen Akupunktur Kongress 2007. Und so konnte man vom 17.-19. Mai 2007 aus 100 Vorträgen, Workshops, Diskussionsrunden und Übungen die interessantesten Themen zum gesamten Spektrum der Akupunktur wählen.

Schon bei der Eröffnung beschritten die Veranstalter neue Wege: nicht lange Grußworte, sondern die 7 Kongresspräsidenten präsentierten unter der Moderation von D. Irnich/München ihre Visionen für die weitere Entwicklung der Akupunktur nach Abschluss der großen Modellvorhaben.

Im ersten Vortrag ging Staatssekretär G. Krämer/Wiesbaden vom Hessischen Sozialministerium auf die Bedeutung der Akupunktur in der Patientenversorgung ein und betonte, dass sich das Land Hessen auch für Forschung und Wissenschaft im Bereich der Naturheilverfahren und komplementären Medizin einsetzt. Er forderte zusätzliche große Wirksamkeitsstudien für weitere Anwendungsbereiche der Akupunktur, wie z.B. Suchtkrankheiten und vegetative Störungen. In einem vielbeachteten Grundsatzvortrag wies der Medizinhistoriker P.U. Unschuld/Berlin auf die veränderte Bedeutung der staatlichen Gesundheitspolitik hin: während seit 200 Jahren die Gesunderhaltung der Bürger eine staatlich Aufgabe war, um gesunde Bürger, Soldaten und Arbeitskräfte für die Fortentwicklung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft zu garantieren, ist in einem Zeitalter der Massenarbeitslosigkeit und Globalisierung und der Entwicklung von der Wehrpflichtigenarmee zur Spezialistenarmee die Gesunderhaltung der Bevölkerung kein vordringliches gesellschaftlich-politisches Ziel mehr. Daraus werde verständlich, dass Gesundheit zunehmend als private Aufgabe betrachtet wird. Dementsprechend lasse sich auch die Bevölkerung nicht mehr vorschreiben, welche Richtung von Medizin sie anzuwenden hat, sondern fordert die Vielfalt der Methoden ein. Unschuld rief die Ärzte auf, sich das Gesetz des Handelns nicht aus der Hand nehmen zu lassen und brachte unter Bezug auf das Kongressthema das Problem auf die griffige Formel: „Die Seele kennt keine Fallpauschale“.

Jeder Kongresstag begann mit dem Spiel der Fünf Tiere, einer Qigong Übungssequenz, bei der durch das Nachahmen und Erfassen eines Tieres auch seine Qualitäten bewusst erfahren werden sollten, wie zum Beispiel die Erdverbundenheit des Bären, die Furchtlosigkeit des Tigers oder die selbstbewusste majestätische Haltung des Hirschen.

Schwierig zu beantworten und schwer zu entscheiden war die täglich gestellte Frage: „Welchen Raum soll ich heut´ wählen?“ fanden doch in parallel bis zu sieben Veranstaltungen statt. Und es konnte schon geschehen, dass man im kleinsten Raum eng zusammenrücken musste, damit alle Interessierten Platz finden konnten.

Die Parallelveranstaltungen befassten sich mit ganz verschiedenen Themen wie z.B. Qualitätssicherung, Modellvorhaben Akupunktur samt Folgen, chinesischer Arzneitherapie, Akupunktur bei Kindern und viele andere.

In Fallseminaren demonstrierten jeweils drei Experten ihren Behandlungsvorschlag zu einem Patienten. Dadurch konnte die Zuhörer erfahren, wie unterschiedlich der Zugang zur Therapie sein kann. Wichtig sei, die unterschiedlichen Techniken nicht miteinander zu vermischen. Zang Fu, Außen Innen, Therapieren über Kardinalpunkte, der Einsatz von Luo Gefäßen oder von muskulotendinären Meridianen, um nur einige zu nennen, haben ihren jeweiligen Stellenwert.

Durch die Zusammenarbeit mit mehreren Universitäten konnten den Zuhörern interessante Studien aus klinischer und Grundlagenforschung vorgestellt werde, was besonders großes Interesse fand. Dabei fanden besonders die neuen Erkenntnisse von H. Langevin / Burlington VT (USA) zur Bedeutung des Bindegewebes für den Akupunkturpunkt und die Akupunkturwirkung besondere Beachtung, zumal Frau Langevin es versteht, ihre Ergebnisse bestens und in leicht verständlichem Englisch zu präsentieren.

Aber auch weitere Vorträge aus dem Bereich der Forschung rechtfertigten das große Interesse: B. Brinkhaus/Berlin zeigte, dass die Therapie der allergischen Rhinitis mit Akupunktur zusätzlich zur konventionellen Therapie zu einer Verbesserung der krankheitsspezifischen und der allgemeinen gesundheitsbezogenen Lebensqualität führt und konnte die mit Zahlen einer multizentrischen, randomisierten Interventionsstudie an 5237 Patienten belegen. Großes Publikumsinteresse fand auch eine Studie von A. Römer/Mannheim an 160 Patientinnen mit Endometriose, bei der gezeigt werden konnte, dass Akupunktur allein keine eindeutige Verbesserung dieser Erkrankung erbringt, jedoch in Kombination mit chinesischen Arzneimitteln hier Dysmenorrhoebeschwerden, Zyklusanormalien und Fertilität deutlich gebessert werden konnten.

Eine alte Methode entdeckte für den Kongress neu M. Schwickert/Essen: Gua Sha, eine Art Reibemassage mit kräftigen Hautreizen zeigte in einer klinischen Studie eindeutige Wirksamkeit bei HWS-Syndromen. Die praktische Anwendung dieser Methode wurde auch gleich in einem Workshop am dritten Kongresstag demonstriert und geübt.

L. Vogt / Frankfurt konnte in einer Studie an 85 Kindern und Jugendlichen mit Asthma bronchiale den Rückgang asthmaspezifischer Symptome unter einer 4-wöchigen Akupunktur nachweisen. Diese Arbeit fand nicht nur auf Grund ihrer klinisch wichtigen Ergebnisse besondere Beachtung, sondern wurde auch im Rahmen der Verleihung des Deutschen Akupunkturpreises als bester Vortrag mit einem Förderpreis von 1.500,00 € prämiert!

Ein wichtiges Thema in vielen Vorträgen des Kongresses war die Frage nach den spezifischen und unspezifischen Wirkungen der Akupunktur. S. Joos/Heidelberg, legte dazu eine Studie vor, die hochinteressant mit Tefeninterviews belegte, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Ärzten ganz wesentlich über den Erfolg einer Behandlungsmethode – in diesem Fall der Akupunktur – entscheidet. Weitere Vorträge von F. Musial/ Essen, H.-G. Schaible/Jena und K. Streitberger/ Heidelberg beschäftigten sich mit der Physiologie der Akupunkturwirkung und zeigten auf hohen wissenschaftlichen Niveau, dass es falsch ist, Akupunktur als Placebo abzutun. Neben den Vortragsveranstaltungen liefen parallel 90-minütige Workshops, mit Themen, die bisher zu wenig Beachtung in der Akupunkturwelt gefunden haben, z.B. der hervorragende Workshop von J. Filshie/London zur Akupunktur in der Palliativmedizin, der neue praktische Wege in diesem immer wichtiger werdenden Medizingebiet wies oder der Workshop von K. Linde/München, dem es tatsächlich gelang, den Titel „Studien lesen in 5 Minuten“ wahr zu machen, in dem er den Zuhörern eine ganz einfache, praktische Einführung gab, wie man mit komplizierten klinischen Studien umgeht und sich tatsächlich innerhalb weniger Minuten ein Bild über Qualität und Ergebnisse einer Studie machen kann.

In Abschlussvorträgen zeigten S. Kirchhoff/Witten-Herdecke und J. Gleditsch/München, wie man mit den verschiedenen Systemen der Akupunktur praktisch umgeht.

Am dritten Tag konnten die Besucher aus 13 Experten - Workshops auswählen und so verschiednen Themen wie die Blutegeltherapie, die differenzierte Pulsdiagnostik, die Elektroakupunktur nach Voll oder die Akupunktur bei chronischen Rückenschmerzen und Gonarthroseschmerzen u.v.a lernen und zum Teil praktisch einüben.

Besonderes Interesse fanden auch die Poster, die in ausführlichen Begehungen mit den Autoren besprochen wurden. Besonders gewürdigt wurde die Arbeit von R. Flatz/München: "Veränderungen des elektrischen Hautwiderstandes am Akupunkturpunkt Pericard 6 nach Oktoberfestbesuch" durch die Verleihung des Deutschen Akupunkturpreises in der Kategorie „bestes Poster“.

Der Kongress endete mit der Verleihung des Deutschen Akupunkturpreises in der Hauptkategorie beste Forschungsarbeit an A. Schneider/Heidelberg und seine Arbeitsgruppe für die Arbeit: „Bedeutung der subjektiven Körperwahrnehmung bei der Akupunkturtherapie des Reizdarmsyndroms“ sowie der bereits erwähnten Preise für die beste Präsentation und das beste Poster durch die Vorsitzende der DÄGfA, Frau Dr. W. Marić-Oehler/Bad Homburg und die Mitglieder der Jury, Prof. Dr. Dr. W. Banzer / Frankfurt , Prim. Dr. H. Nissel/ Wien und Dr. R. Pothmann/ Hamburg.

Einen ausführlichen Bericht über den gesamten Kongress werden Sie in der Deutschen Zeitschrift für Akupunktur (DZA), Ausgabe September 2007, finden.

Fazit: Ein längst überfälliger Kongress, der die ganze Breite, Kraft, Vielfalt und hohe Qualität von Klinik und Forschung der Akupunktur und ihrer verwandten Fächer im deutschen Sprachraum zeigte.


Bildergalerie

(PDF) Download: Kongressbericht von Michael Wullinger



Ein Kurzfassung aller Referate finden Sie im Kongressband „Akupunktur – Die Medizin für Körper und Seele“, herausgegeben von Wolfram Stör, Dominik Irnich und Winfried Banzer, München 2007, zu beziehen über www.elsevier.com, ISBN: 978-3-437-55021-8, Preis: 24,95 €

(PDF) Download: Umschlagseite des Kongressbandes
(PDF) Download: Inhaltsverzeichnis des Kongressbandes